Digitalisierung im Auslandsgeschäft
Digitalisierung im Trade und Supply Chain Finance Geschäft - eine Standortbestimmung
Fortschreitende Digitalisierung, datengetriebene Prozesse und die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) werden internationales Geschäft möglich machen, das schnell und transparent über multifunktionale Plattformen abgewickelt werden wird.
Bei aller Vorfreude auf diese langfristige Perspektive, die ambitioniert genug ist, stellen sich viele Unternehmen aktuell die Frage, was ihnen diese Initiativen heute im Tagesgeschäft bringen. Und diese Frage ist mehr als berechtigt, denn noch immer führen papierbasierte Transaktionen zu erheblichen Verzögerungen im internationalen Handel.
Stellen wir uns z. B. die Warenlieferung eines Mittelständlers vor, die im Zielhafen in Singapur auf Freistellung und Aushändigung an den Empfänger wartet. Bevor das passieren kann, müssen die jeweiligen Banken des Lieferanten und des Käufers die Papierversionen der Akkreditivdokumente überprüfen – ein Prozess, der bis zu zehn Tage dauern kann. Während dieser Zeit fallen zusätzliche Lagerkosten im Hafen an, die zu einer unnötigen Belastung der Geschäftsbeziehung werden können.
Banken setzen sich mit aller Kraft dafür ein, solche Engpässe in der Lieferkette zu beseitigen. Die Commerzbank arbeitet deshalb eng mit ihren Firmenkunden zusammen. Wir müssen die Schwachstellen kennen, mit denen Unternehmen im Tagesgeschäft konfrontiert sind, um spürbare Verbesserungen in die Wege zu leiten. Darüber hinaus unterstreichen wir im kontinuierlichen Dialog mit unseren Kunden immer wieder, dass wir Innovationen nicht um ihrer selbst willen forcieren, sondern um damit neue Antworten für die größten Herausforderungen zu finden, denen sie gegenüberstehen.
Bestehendes verbessern, Neues entwickeln
Mit diesem Ziel vor Augen konzentrieren wir uns auf zwei Kernbereiche: erstens auf die Verbesserung bestehender Prozesse und Lösungen durch die Einführung neuer Technologien wie der optischen Zeichenerkennung (OCR) und zweitens auf die Entwicklung völlig neuer Produkte und Dienstleistungen auf der Grundlage von Technologien wie DLT, um so den Weg zu einer digitalisierten Handelsfinanzierung zu ebnen.
Transformationen sind bereits Realität
Dabei geht es um Lösungen, die einerseits Firmenkunden schon heute entlasten und andererseits in den kommenden Jahren die gesamte Handelsabwicklung grundlegend verändern werden.
• Die Automatisierung von Trade Finance vollzieht sich als eine Form der Digitalisierung, bei der wir neue Technologien in traditionelle Prozesse integrieren. Dazu ist die Commerzbank eine strategische Partnerschaft mit Conpend eingegangen, einem FinTech-Unternehmen, das auf Lösungen für das internationale Geschäft spezialisiert ist. Bis 2020 wollen wir 80 Prozent der Compliance-Vorabprüfungen bei der Abwicklung von Trade Finance Transaktionen automatisieren. Im ersten Schritt liegt der Fokus auf Antigeldwäsche-Prozessen (Anti-Money Laundering, kurz: AML). Sobald dies umgesetzt ist, sparen alle an der Trade Finance Transaktion beteiligten Parteien viel Zeit, unter Berücksichtigung der regulatorischen Vorschriften.
Vorteile für Unternehmen: schnellere Abwicklung, fehlerfreie Verarbeitung.
• Distributed-Ledger-Technologie (DLT): Die Commerzbank gehört zu den Gründungsbanken von Marco Polo, dem am schnellsten wachsenden Handelsnetzwerk. Es verbindet Banken, Unternehmen und Drittanbieter über Application Programming Interfaces (APIs) und die Corda-Blockchain-Technologie.
Im März haben die Commerzbank und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gemeinsam einen Meilenstein bei der Digitalisierung von Handelsgeschäften auf Basis der DLT erreicht. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden erstmals zwei Handelsgeschäfte zwischen dem internationalen Technologiekonzern Voith sowie dem führenden Pumpen- und Armaturenhersteller KSB SE über die Blockchain-Technologie abgebildet. Dabei handelte es sich zum einen um die Lieferung von hydraulischen Spezialkupplungen von Deutschland nach China und zum anderen um die Lieferung von Pumpen innerhalb Deutschlands.
Bei beiden Transaktionen wurde das Zahlungsziel durch ein bedingtes Zahlungsversprechen der Bank des Käufers abgesichert. Die Basis dafür war der digitale Austausch von Handelsdaten. Nach der Lieferung wurden die entsprechenden Lieferdaten automatisch mit den zuvor vereinbarten Daten abgeglichen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Auch die Finanzierung war Teil des Pilotprojekts.
Als Partner der Marco-Polo-Initiative unterstützen wir weiterhin das FinTech-Unternehmen R3 und den Technologiespezialisten TradeIX. Das Potenzial der DLT für Trade und Supply Chain Finance haben wir bereits früh erkannt. Deshalb sind wir beim Einsatz digitaler Handelsdaten nach wie vor führend. Bereits seit 2014 wickeln wir Transaktionen über die Bank Payment Obligation (BPO) ab. Die dabei gewonnenen Erfahrungen nutzen wir, um den zugrunde liegenden Rahmen der BPO auch auf DLT-Systeme zu übertragen, die unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen enthalten. Die kontinuierliche technologische Weiterentwicklung im internationalen Geschäft werden wir auch bei kommenden Projekten maßgeblich mittragen.
Vorteile für Unternehmen: mehr Sicherheit, Transparenz und Effizienz bei der Zahlungsabwicklung.
• Multibank-Plattformen für Supply Chain Finance (SCF): Immer mehr multinationale Unternehmen führen SCF-Programme sowohl auf der Kreditoren- als auch auf der Debitorenseite ein. Oft nutzen sie dazu Multibank-Technologieplattformen. Dabei sind Unternehmen nicht mehr auf nur eine Bank mit deren jeweiliger proprietärer Technologieplattform angewiesen, sondern können sich bei mehreren Instituten finanzieren.
Vorteile für Unternehmen: Zugang zu größeren Finanzierungsvolumina, mehr Preistransparenz, breitere Risikostreuung, Expertise von mehreren Banken mit jeweils unterschiedlichen Kompetenzfeldern, einfachere KYC-Onboarding-Prozesse.
Weitere Fortschritte erfordern ganzheitliches Denken
Diese Initiativen tragen schon heute wesentlich zur Effizienzsteigerung im internationalen Handelsgeschäft bei. Um jedem Unternehmen die Vorteile der digitalen Handelsabwicklung im vollen Umfang zu erschließen, müssen alle Beteiligten eng zusammenarbeiten und sich Folgendes zum Ziel setzen:
• Interoperable Plattformen: Unternehmen fragen zunehmend nach der Möglichkeit, Rechnungen über Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme ganz einfach für Finanzierungen bereitzustellen, ohne ein Blatt Papier zu bewegen.
• Standardisierte globale Steuerung von Handelsgeschäften: Bevor interoperable Plattformen wirklich effizient arbeiten werden, sind verbindliche Normen für alle in einer Lieferkette beteiligten Partner festzulegen. Daran müssen Unternehmen ebenso mitwirken wie Finanzinstitute und zwischenstaatliche Institutionen.
In dieser Hinsicht setzt das Universal Trade Network (UTN) Maßstäbe. Diese Initiative der Wirtschaft konzentriert sich auf zwei Aspekte: einerseits den Austausch zwischen Handelspartnern und ihren Netzwerken zu erleichtern und andererseits offene Standards und Protokolle zu entwickeln sowie zu fördern. Bisher gehören dem UTN die am Marco-Polo-Projekt beteiligten Banken an. Dieser Kreis soll nun erweitert werden, insbesondere um Unternehmen.
• Die Einführung neuer Technologien in der Praxis: Es kommt entscheidend darauf an, wie man die Vielzahl an Innovationen – DLT, Smart Contracts und das Internet of Things (IoT) – in marktreife Lösungen für den Handel und die SCF-Plattformen überführt.
Zu diesem Zweck hat die Commerzbank als erstes Finanzinstitut ein Enterprise Lab am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund eingerichtet. Damit wurde die 2017 begonnene Kooperation weiter ausgebaut. Das Innovationslabor soll analysieren und Prognosen entwickeln, wie finanzielle und physische Lieferketten im Jahr 2025 aussehen können. Solche fundierten Prognosen sind wichtig, um Entscheidungen heute so zu treffen, dass sie morgen den Anforderungen der zukünftigen operativen Umgebung unserer Kunden gerecht werden.
Es war nicht immer leicht, die ersten Schritte in eine neue Ära des Trade Finance Geschäfts zu machen, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Bei der Commerzbank können die Kunden bereits jetzt von ersten Lösungen profitieren und die weitere Entwicklung mitgestalten.