Supply Chain Finance - Lehren aus Corona

Alexander Pawellek, Leiter Produktentwicklung Supply Chain Finance & Innovation
Alexander Pawellek Leiter Produktentwicklung Supply Chain Finance & Innovation

Supply Chain Finanzierungslösung nutzen – Liquidität sichern

Mit den milliardenschweren Corona-Programmen haben viele Unternehmen den dringend benötigten Spielraum bekommen, um die unmittelbaren Folgen des Lockdowns zu überbrücken. Doch zum Aufatmen bleibt keine Zeit: Mehr denn je wird Liquidität zum entscheidenden Kriterium, um in der Nach-Corona-Zeit wieder Fahrt aufzunehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass strategische Lieferanten vor den gleichen Schwierigkeiten stehen und auszufallen drohen. Zur Verbesserung der Rentabilität sollten Unternehmen deshalb die Verknüpfungen innerhalb der Lieferkette einbeziehen und Potenziale mit ganzheitlichen Lösungen ausschöpfen.

Neben Liquidität gilt stabilen Lieferketten oberste Priorität

Supply Chain Finance (SCF) ist dabei eine der wichtigsten Stellschrauben, um die Finanzstrukturen einer Lieferkette zu optimieren. Statt bei Lieferanten immer längere Zahlungsziele durchzusetzen, schaffen Käufer mit SCF eine Win-win-Situation für beide Seiten: Der Lieferant erhält schneller sein Geld und der Käufer kann gleichzeitig seine gewünschten langen Zahlungsziele ausschöpfen.

Möglich wird dies durch eine Finanzierung in Höhe des vereinbarten Kaufpreises, für die der Käufer sein im Vergleich zum Lieferanten meist besseres Rating nutzt. Der Lieferant erhält daraus sofort den abgezinsten Kaufpreis. Der Käufer wiederum zahlt am Ende der von ihm gewünschten Frist den vereinbarten Kaufpreis an die finanzierende Bank. So erreicht er die angestrebte Verbesserung seiner Finanzkennzahlen und weiß gleichzeitig seinen Lieferanten auf der liquiditätsmäßig sicheren Seite.

Im Zentrum: multibankfähige Plattform

Aufgesetzt und strukturiert wird SCF in Kooperation mit den Plattformen unterschiedlicher FinTechs. Alexander Pawellek, Leiter Produktentwicklung Supply Chain Finance & Innovation bei der Commerzbank, betont, dass „wir im Unterschied zu anderen Finanzdienstleistern auf multibankfähige, also bankenunabhängige Plattformen setzen“. Alle für die Zahlungsströme zwischen Bank, Lieferant und Käufer erforderlichen Informationen und Zahlungsinstruktionen werden vom Plattformanbieter aufbereitet und elektronisch bereitgestellt. Zur Sicherung der Prozesse sind Schnittstellen sowie Informationen standardisiert und automatisiert.

Bei aller Standardisierung erlaubt SCF einen hohen Individualisierungsgrad. Wenn der Käufer sich beispielsweise besonders zur Nachhaltigkeit verpflichtet, können die Konditionen seiner Lieferantenfinanzierung an bestimmte Compliance-Richtlinien gekoppelt werden – überprüft durch ein Scoring oder Rating durch den Käufer.

Nachholbedarf im Finanzbereich

„Der hohe Digitalisierungsgrad“, so Pawellek, „ist ein zentrales Merkmal von Supply Chain Finance – aber er sollte sich nicht auf SCF beschränken. Noch hat der Finanzbereich hier Nachholbedarf. Dieser Digitalisierungsstau kostet Tag für Tag wertvolle Liquidität.“ Gerade angesichts des Bestrebens vieler Unternehmen, „sich stärker auf das Kerngeschäft“ zu konzentrieren, erscheint es paradox, dass sie viel Zeit und Kosten aufwenden für Tätigkeiten, die eher nicht zum originären Kerngeschäft gehören: die Kreditgewährung an Kunden über lange Zahlungsziele, die Rechnungsbearbeitung oder das Mahnwesen. Abhilfe schaffen digitale Lösungen wie das E-Invoicing, das strukturierte Rechnungsdaten produziert und nutzt: Statt wertvolle Zeit unter anderem durch den Postweg, die manuelle Bearbeitung und das nachträgliche Einscannen zu verlieren, liegen die Rechnungsdaten kurzfristig im firmeninternen Enterprise Resource Planning System (z.B. SAP) vor, können maschinell geprüft und automatisiert weiterverarbeitet werden. Die Effekte: Kosteneinsparungen von bis zu 80 Prozent.

Wissenschaft und Commerzbank Hand in Hand

Ähnlich viel Potenzial steckt nach Worten von Alexander Pawellek im Einkauf. Einer der ersten Schritte besteht hier in der Abwicklung der Prozesse über eine einheitliche Plattform. Dadurch lässt sich beispielsweise der eigene Aufwand bei der Pflege von Stammdaten deutlich reduzieren, da Lieferanten diese selbst aktualisieren können. Bei automatischen Bestellungen zum Nachfüllen des Lagers erweist sich bisher die fehleranfällige Erfassung gerade von Kleinteilen als Herausforderung. Dazu kooperiert die Commerzbank mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund sowie führenden deutschen Großunternehmen.

Auch das Mahnwesen zeigt sich in vielen Unternehmen als digitaler Nachzügler, weil die Möglichkeiten des automatischen Abgleichs von Forderungen, Fristen und Zahlungseingängen nicht konsequent genutzt werden. Ähnlich die Lage im Risikomanagement: Die Einhaltung vorgegebener Limits für Exposures in kritischen Märkten oder bei Abnehmern ist bei manuellen Vorgehensweisen immer mit einem Time lag verbunden. Überschreitungen werden teilweise erst bemerkt, wenn es schon zu spät ist.

Digitalisierung, Automatisierung und Schnelligkeit sind entscheidende Kriterien für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Alexander Pawellek: „Als ganzheitlicher Lösungsanbieter schaffen wir die Grundlagen, denn die Technologien sind bei der Commerzbank bereits verfügbar, nicht zuletzt dank der engen Kooperation mit FinTechs. Sie müssen nur genutzt werden – gerade angesichts der Herausforderungen der Nach-Corona-Zeit.“